Ich habe gerade einen online Artikel gelesen (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/marode-uni-gebaeude-betreten-auf-eigene-gefahr-a-883392.html),
der das meiner Meinung nach ultimative Dilemma meiner Studiengeneration
beschreibt: Wir haben Studiengebühren bezahlt und wir haben mitbestimmen
dürfen, wohin diese an unserer Universität eingesetzt werden. Es gab das ein
oder andere Buch sowie Lehrassistenten und meistens verbesserte es erst für die
Semester nach uns das Studienleben. Außerdem gab es bestimmte Vorgaben für die
Verwendung, was bedeutete, dass man keine baulichen Maßnahmen beantragen
konnte. Eigentlich absurd, denn fast jeder Seminarraum oder Vorlesungssaal ist
unmenschlich marode.
Es wurden intelligente Computer und farbige Drucker
angeschafft. Tausende Bücher, die meistens durch das Internet hinfällig wurden.
Wenigstens wurde manchmal die Lehre mit mehr Lehrkraft ausgestattet und endlich
in Kleingruppen unter Anleitung gelernt. Aber lernt man gut, wenn man sich im
Raum selbst nicht wohl fühlt? Als Mann vielleicht. Es gibt diese Studierenden,
denen das Umfeld egal ist und allein die Faszination der Materie reicht, um zu
lernen. Die meisten haben auch so lange Beine, dass es ihnen kaum auffällt,
dass ein Klappstuhl schief unter ihnen hängt, denn ihre Knie an der vorderen
Sitzreihe verhindern sowieso das Abrutschen per se. Mir ergeht es da anders.
Ich komme so gerade eben auf den Boden der „Taträume“ und rutsche fast im
Sekundentakt umher, sobald ein Stuhl auch nur wenig über 90° Neigung vorweist. Manchmal
probiere ich sieben Holzklappstühle, bis ich einen finde, von dem ich nicht
herunter rutsche. Das lenkt mich ab. Auch lenkt es mich ab, wenn meine Kleidung
oder meine Haut von Holz durchbohrt werden, weil ich unfreiwillig herum rutsche.
Auf einem Bein zu sitzen hilft manchmal, jedoch schläft dieses dann ein und ein
paar Personen unter euch können sich vorstellen, dass das auf Dauer auch keine
Lösung ist.
Ebenso ist es keine Dauerlösung, dass keine Mülleimer
benutzbar sind, weil diese den Regen auffangen, der durch die Decke auf uns
tropft. Selbst im chemischen Praktikum stehen diese Stolperfallen sobald es
auch nur nieselt. Hilfreich ist diese relative Luftfeuchte nicht, wenn sogar
Experimente im trockenen oder luftfreien Raum bestritten werden sollen. Bröckelnder
Putz und Beton ist selbstredend auch keine Neuheit im Betonbunker – wenigstens wurde
noch niemand von herabfallenden Stücken getroffen. Zugige Fenster und kaputte
Lüftungssysteme führen zu jeder Jahreszeit dazu, dass ich mir immer eine Jacke
mitnehme. Draußen sind manchmal 40°C im Baumschatten, aber drinnen brauche ich
eine Jacke. Umgekehrt schäle ich mich wie eine Zwiebel, wenn im Winter draußen
Minusgrade sind, drinnen aber der Seminarraum ein Terrarium im Hochsommer auf
Hawaii nachahmt.
Aber baulichen Maßnahmen durften nicht beantragt werden aus
den Studiengebühren, die die Lehre verbessern sollten. Grundsätzlich verstehe
ich, warum diese Einschränkungen für die Verwendung von Studiengebühren
eingeführt worden ist. Nicht aber, warum nicht wenigstens ein kleiner
prozentualer Anteil in das bauliche Geschehen einfließen dürfte. Neue Stühle
und trockene Räume sind nötig, um eine gute Lernatmosphäre zu bauen. Der
neueste Projektor hilft nicht, wenn man vor Regen nichts sieht und sich kaum
auf dem Stuhl halten kann, oder? Und warum wird in letzter Zeit ein Parkhaus
nach und nach abgerissen, weil es undicht und marode ist, nicht aber die
Hörsäle? Ich rate, dass gewartet wird. Auf die Grundsanierung aller Gebäude,
die fein geplant wurde. Leider sind wir jetzt schon im Verzug und bis diese
Planung bei allen ankommt, sind wieder zwei bis drei Generationen a fünf Jahre
Studium durch diesen Betonirrhafen gegangen. Es lohnt sich vielleicht wirklich
nicht, diese Kleinigkeiten zu beheben – außer, wenn das Komitee für den
Entscheid der Exzellenzinitiative kommt. Dann werden Flure vor jeder
Begutachtung gestrichen und nötige Arbeiten erledigt. Mehr Schein als Sein,
denn die Flure sind jedes Mal dieselben.
Erst, als sie bei vielen Restbeträgen nicht mehr wussten, wo
noch ein Tutorium stattfinden sollte oder wer noch ein Buch oder ein Gerät gebrauchen
könnte, erst dann wurden damit Heizungskosten bezahlt. Klar, im Winter kann man
nicht bei Minusgraden lernen – wohl aber anscheinend bei hoher Luftfeuchte und
Splittern im Allerwertesten. Nicht unerwähnt sollte auch bleiben, dass wir
unsere Zukunft mit Asbest und PCB vergiften – teilweise wird wenigstens saniert
und gereinigt. Teilweise werden nur Warnaufkleber überstrichen.
Ein neues System muss her. Nachhaltig. Die Politik hat nur bedingt
verstanden, dass Investitionen in unsere Bildung auch eine Investition in die
Zukunft des Landes ist. Sie fangen gerade an zu verstehen, dass Kindergarten
und Kindertagesstätten wichtig sind, damit das Arbeitspotenzial von Mann und Frau
ausgeschöpft werden kann. Also müssen die Universitäten das Problem selbst
angreifen. Aber wie? Studiengebühren wieder einführen? Nein danke. Mehr Steuergelder
verlangen? Sozial ungerecht. Abgaben von denen verlangen, die durch ihr Studium
ein gutes Leben führen können? Warum nicht? Aber, wie genau? UniSol35 ist ein
Vorschlag, über welchen ich eine Kolumne geschrieben habe (http://www.pflichtlektuere.com/08/02/2013/scheiszhausparolen-und-studiengebuehren/).
Eine Abgabe für alle Absolventen, die mehr als 35.000€ brutto verdienen: 0,1% ihres
Gehaltes soll als monatliche Abgabe für eine Laufzeit von 40 Jahren an die
Fakultät gehen, die sie ausgebildet hat. Gerade weil die Hochausgebildeten
gerne das Land verlassen, um woanders mehr zu verdienen, wäre es sozial
gerecht, wenn dafür nicht der gemeine Steuerzahler aufkommen muss. Selbst wenn
jemand 40 Jahre zahlt, so deckt das meistens nicht die Kosten der Ausbildung.
Wohl aber stopft es das finanzielle Loch, welches gute Lehre auf Dauer möglich macht.
Die USA, Großbritannien und andere verlangen schon seit
Jahren horrende Summen für einen universitären Abschluss, was das Auditorium im
Hörsaal leider vorselektiert. Australien hat gezeigt, dass es funktioniert:
Alle die studieren wollen, können dies. Besonders interessant ist dies bei denjenigen,
die beim Start ihres Studentendaseins noch nicht ihre Blüte erreicht haben.
Bezahlt wird später. Gleiches wird in Deutschland schon an einer Privatuni in
Witten erfolgreich praktiziert. Auch unsere Bildung darf etwas kosten und
braucht ein gutes Zuhause, um unsere Zukunft mitzugestalten.
Worauf warten wir
noch?